Du hast eine Stunde Ruhe (weil die Kinder vor sich hinspielen), anschließend hast Du aber auch ein zerstörtes Kinderzimmer (weil sie darin vor sich hingespielt und nichts aufgeräumt haben) und zerstörte Kinder (weil sie vom Spielen so zerstört sind, und NIEMALS auch noch AUFRÄUMEN können. Wie absurd von Eltern, sich das auch nur vorzustellen!).
In dieser Situation taucht Angst gern auf, um Dich auch noch zu zerstören, weil dann hätte sie so richtig viel geschafft heute: “Oh je, das geht so weiter, bis sie volljährig sind. Außer Du machst jetzt mal eine klare Ansage, vielleicht auch eine Androhung ihnen etwas Schönes nicht zu erlauben?, damit die Stöpsel schuldbewusst werden und sich erbarmen missmutig wenigstens ein bisschen mitzuhelfen. Und der Rest bleibt ja doch an Dir hängen…”
Wenn Angst solche Reden schwingt, hat sie auch gleich das doppelköpfige Hausdrachen-Kostüm dabei und will, dass ich rein schlüpfe.
Mache ich aber nicht.
Ich habe beschlossen beim Thema Aufräumen meinen Kindern zu ermöglichen, etwas zu lernen, das über ein simples Zurücklegen von Dingen hinaus geht. Denn im Wesentlichen geht es nicht darum, dass ich gern ohne Legosteine zwischen den Zehen und ohne zu fluchen aus dem Kinderzimmer kommen würde. Sondern hierum:
Ordnung zu halten ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Freude. Eine klare Umgebung ermöglicht klare Gedanken und befreit uns: Zu Gastfreundschaft, spontanen Ausflügen und Spielen, die mit einem Lego- und Barbie-Chaos als Grundlage nicht oder nur eingeschränkt möglich sind. Es geht nicht so sehr darum von etwas frei zu sein, was Angst einem einreden will (frei von Chaos, Ärger, Missstimmung), sondern für etwas frei zu sein (das ist die Haltung des Mutes, und nur darauf richten wir unsere Kraft).
Wenn wir unsere Dinge griffbereit haben, können wir uns ohne Umschweife in alle Abenteuer stürzen, die uns einfallen. Wenn wir erst suchen/reparieren/neu besorgen müssten, was wir brauchen, würden wir vielleicht die Lust verlieren, aufgeben und mit Sicherheit etwas Großartiges, Schwungvolles verpassen. Oder habt Ihr schon mal einen Hausdrachen gesehen, der sich ins Auto setzt, um zum Picknick bei Sonnenuntergang am See zu fahren, dort Lämmern beim Herumtollen zuzusehen und noch ein bisschen Steine flippern zu lassen? Eben.
Diese innere Haltung hat uns ermöglicht ganz simple, schöne und leicht umsetzbare Lösungen zu finden, die für uns sehr gut funktionieren, und vielleicht ermutigt Dich das, Deine eigenen Drachenkostüm-Alternativen zu entdecken. Denn die stehen Dir bestimmt hervorragend gut!
1. Was nach dem Abendessen noch im Erdgeschoss herum liegt, wird von mir verschenkt – ohne irgendeine Diskussion. Nicht weil ich so schrecklich bin. Sondern um für die Kinder unmittelbar erfahrbar zu machen, dass Dinge, um die sie sich nicht kümmern, verschwinden. So ist das nämlich im Leben außerhalb der mütterlichen Komfortzone. Durch diese Definition muss ich nicht mehr schimpfen, wenn etwas herum liegt. Ich verräume es nur noch. Bisher musste ich nur das nur ein einziges Mal durchziehen. Seitdem ist NICHTS liegen geblieben. Nicht im Erdgeschoss : )
2. Abends, während die Kinder schon im Bett liegen, dürfen sie sich Lieder wünschen, immer abwechselnd, die ich ihnen dann vorsinge. Währendessen gehe ich durch’s Zimmer und räume auf, so viel und so lange ich Lust habe. Wir genießen alle die Stimmung. Dass sie sich etwas wünschen können, das sofort erfüllt wird, dass wir alle gemeinsam zur Ruhe kommen und es danach viel geordneter ist. In uns und um uns. Ordnung ist nicht mehr negativ besetzt, sondern bedeutet Melodien, Geschichten, Vertrautheit. Und dass sie am morgen in bereit gelegte Lieblingskleidung schlüpfen können.
Angst könnte einhaken: Selbstbetrug, Du räumst ja doch auf! Schon, aber nur so viel ich mag und so lang ich Lust habe. Und in einer guten Stimmung. Und gestern war gar nichts mehr zum Aufräumen da:
Ganz ohne Aufforderung, wie aus dem Nichts und sehr stolz auf das Ergebnis hat unsere Sechsjährige sich gestern ins Kinderzimmer zurückgezogen, eine CD mit Kinderliedern eingelegt und aufgeräumt. Hingebungsvoll, liebevoll und ausdauernd, mit eigenen Ideen, wie sie zum Beispiel die Bücher ins Regal sortieren will. Ich hätte anders sortiert. “Aber EIGENTLICH ist das ja gar nicht Deine Baustelle”, meinte sie, und wo sie Recht hat : )
Das hat mich so beschwingt: Sie hat verinnerlicht, worum es beim Aufräumen geht! Der Anfang ist gemacht. Und sie hat mich an einen Satz von Khalil Gibran erinnert, dessen Sinn ich in diesem Moment erst richtig erfasst habe: “Das Lied, das ruhig im Herzen einer Mutter liegt, singt auf den Lippen ihres Kindes.”“Kitschig”, sagt Angst. “So so”, sagt Mut. “Genau so ist es”, sagt Schwung. Ratet mal, wessen Auffassung ich teile : ).
Natürlich hat die Angst trotz dieser Erkenntnis manchmal Oberwasser. Aber so selten! Die Alternativen zum Drachenkostüm, die Schwung zu bieten hat, sind einfach zu schön. Da sind die Picknickdecke für Abende unter dem Birnbaum, auch sehr gut einsetzbar im Wohnzimmer, falls es gerade regnen sollte, dann die Lieblingsessen-Hotline, wo man bestellen kann, was man unbedingt mal wieder essen will, und es gibt so viele Bücher, die – mit leichter Hand aus dem Regal gezaubert – so lustige und spannende Geschichten erzählen.
Und welches Lied in Deinem Herzen versucht Angst noch klein zu halten? Sie wird scheitern! Könnte einem fast leid tun. Fast! ; )
Viele Grüße aus dem Garten,
Maria