Eine Rose und eine Kirche in Trümmern

Im Sommer habe ich die Rambler Rose “Guirlande d’Amour” an den Stamm des Birnbaums gepflanzt. Sie duftet frisch, blühte bereits heuer und wird im kommenden Jahr den ganzen Baum in ihr strahlendes Weiß kleiden. Ich empfehle sie gern.

Rose “Guirlande d’Amour” und eine Kirche mit Bruch

Ihre letzte Blüte habe ich heute ins Haus geholt und einen Gegenstand dazu gestellt, den ich sehr mag. Dieses Windlicht aus Porzellan ist nicht ganz so robust, wie die kleinen Menschen hier dachten.

Und so trägt es nun die Spuren einer zur Zerstörung neigenden Liebe:

Windlicht aus Porzellan in Form einer Kirche mit Zwiebelturm.

Ich war traurig über den Bruch und wollte ihn mit Klebstoff unsichtbar zumindest kaum sichtbar machen. Dass man versucht zu heilen, was zerstört ist, ist die natürliche erste Reaktion: Wir erwarten von unseren Ärzten, dass sie sich unserer Gesundheit verpflichten. Wenn im Lack unseres Autos ein Kratzer ist, lassen wir ihn beseitigen. Unsere Haut pflegen wir, um sie jung und frisch zu halten. In unseren Lebenslauf packen wir Licht, nicht Schatten. Unser Streben ist darauf ausgerichtet, dass alles möglichst intakt ist. Oder dass es zumindest danach aussieht.

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So sehr wir uns ums Werden und Erhalten bemühen, trotzdem kommt der Herbst, kommt das Alter, kommen Krankheiten und Widrigkeiten, die uns in unserem Streben nach Makellosigkeit einen Strich durch die Rechnung machen. Manches davon lässt sich kitten. Manches nicht. Wie gehen wir damit um?

Darüber habe ich nachgedacht, als ich die beiden Teile der Kirche in Händen hatte, und dann fiel mir etwas ein, was ich machen würde. Nicht kitten! Aushalten! Zumuten! Und plötzlich war mir als würde ich endlich Luft bekommen, als würde ein Fenster geöffnet: Den Riss offensichtlich zu zeigen war befreiend.

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So gebrochen und offen, so gezeichnet gefällt mir das Windlicht noch besser als pseudo-intakt. Der Bruch erzeugt Spannung und macht aus diesem Arrangement mehr als “Blume mit Vase und dann noch ein schönes Ding”. Aus dem Stillleben wird ein Bewegtleben. Und das spricht mich mehr an. Es sagt darüber, wie wir sind und wie wir sein wollen viel mehr aus. Wir haben unsere Brüche. Und wenn wir zu ihnen stehen, sie deutlich zeigen, kann daraus etwas entstehen, das auch schön ist. Nicht makellos. Aber schön.

Die Zerstörung hat ein Deko-Objekt in Kunst verwandelt.

Ich bin befreit vom Ärger darüber, dass etwas kaputt ist, weil dadurch erst etwas Neues entstehen konnte. Befreit von dem zum Scheitern verurteilten Versuch, etwas, das gelebt wurde, von den Spuren des Lebens zu erlösen. Befreit von der Befürchtung, dass mein Windlicht mit Sollbruchstelle bald wieder erneut auseinander fallen könnte.

Die kleinen Elefanten im Porzellanladen habe ich nicht geschimpft, weil das Gefühl der Scham und Reue pur bleiben und nicht überlagert werden sollte von Trotz (der kommt ja unweigerlich, wenn man geschimpft wird). Sie haben etwas getan, erleben die Wirkung – und meine Aufgabe ist nicht sie in diesem Gefühl festzuhalten, sondern ihnen zu zeigen, wie sie heraus kommen können.

Das Bewegtbild hat ihnen ihre schlechten Gefühle genommen. Entschuldigt haben sie sich von ganz allein. Und ich habe ihnen erklärt, warum Porzellan leichter bricht als andere Materialien. Warum es manchmal Sinn macht nicht mit den Händen, sonder nur mit den Augen zu schauen. Wenn ich Glück habe, erinnern sie sich daran, wenn wir mal wieder durch ein Geschäft mit viel Zerbrechlichem stromern… Vielleicht muss ich sie dann nicht mal ermahnen.

Und wenn ich ganz großes Glück habe, hilft ihnen dieses Erlebnis auch mit den großen Brüchen des Lebens gut klar zu kommen. Toi Toi Toi. Ein wenig Glück haben diese Scherben zumindest jetzt schon gebracht.

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Herzliche Grüße aus dem Garten und ein gutes Wochenende

Maria

Verlinkt mit Holunderblütchen Helga, ich finde Dein Arrangement sehr gelungen, mutet brasilianisch an! Und mit Fräulein Ordnung

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